Cancer City
German Democratic Records
18 Titel • ca 75 min
Im Metal erleben derzeit offenbar viele alte Haudegen so etwas wie ihren zweiten Frühling. Bands, die seit gefühlten Ewigkeiten ein Teil dieser Szene sind, denen aber nie das große Rampenlicht vergönnt war, können - so scheint es - auf ihre alten Tage doch noch ein paar verdiente Lorbeeren als Lohn ihrer jahrelangen Arbeit ernten. Quasimodo gehören nicht zu dieser Kategorie. Also nicht, dass das Berliner Trio nicht auch ins Rampenlicht streben würden und sich dafür ein illustres Ensemble an hochklassigen Gastmusikern zusammen geshoppt hat. Was Quasimodo aber fehlt, ist die Geschichte einer unermüdlich und hart arbeitenden, nie den Durchbruch schaffenden, aber dennoch irgendwie szenerelevanten Band. Auch wenn man in verschiedenen Infoquellen eine etwaige Relevanz, und sei es nur im Ostberliner DDR Metal Underground, versucht herbei zu beschwören, muss man eingestehen dass es auch diese nicht wirklich gegeben hat.
Ich hab Quasimodo Anfang der Neunziger mal als Lokalhelden in einer Kneipe in Berlin Schöneweide gesehen und muß konstatieren, dass die Band in den Jahren davor und danach niemals wirklich diesem Status entwachsen ist. Und das hatte nichts mit Pech, der Wende, oder anderen unglücklichen Umständen zu tun, sondern einen ganz einfachen Grund: Obwohl die Burschen durchaus talentiert im Umgang mit ihren Instrumenten waren, (ich glaube mich zu erinnern das Bassist Roland Czyrny damals noch Gitarre spielte und dieser beim Soundcheck durchaus Solis und Töne entlockte welche die Anwesenden in Entzücken versetzte), verstanden sie es nie ein einigermaßen anspruchsvolles eigenes Songwriting auf die Beine zu stellen. Die eigenen Songs hatten stets den Charme einer angestaubten Kellerkombo auf musikalischem Schülerband Niveau. Ratata, ratata, schrumdibum, schrumdibum, eins zwei drei vier, eins zwei drei vier. Die Existenz in der Bedeutungslosigkeit wurde zudem noch dadurch untermauert, dass die Band selbst auch nicht den Anspruch erkennen ließ dieser zu entrinnen. Musikalisch fehlte eine klare Linie, mal thrashig, mal deutschrockig, zwischenzeitlich aufgelöst und nach einer „Reunion“ im Jahr 2013 vor allem als Coverband unterwegs. Eine von 253638490124 Kapellen die in irgendwelchen Kneipen des Landes die Barkeeperin und die Stammkundschaft unterhalten. Bis man dann irgendwie herausfand, dass … ja was eigentlich… dass man sich mit entsprechenden Szene Kontakten und dem nötigen Kleingeld ein kleines Allstar Projekt zusammenstellen kann, um sich in gehobenem Alter doch nochmal den Traum zu erfüllen irgendwie eine Duftmarke auf der Karte der Metallandschaft zu hinterlassen.
Letzteres ist Quasimodo am Ende gelungen. „Cancer City“ enthält 18 Tracks, die vor allem durch die Gastauftritte am Mikro herausstechen. So sind es die Vocals von Björn Gooßes (The Very End) beim Titeltrack und im weiteren Verlauf des Albums Stimmen wie Chris Caffrey (Savatage), Gerre (Tankard), John Gallagher (Raven), Ben Jackson (Crimson Glory) und vielen anderen, die durch das Album geleiten und vereinzelt Glanzpunkte setzen. Am Ende ist es genau die Anhäufung all der verschiedenen Stimmen und Interpretationen, die dieses Album anspielbar macht. Was das Songwriting angeht, kann ich mich allerdings vielen Kollegen der schreiberischen Zunft nicht anschließen, denn auch eine Reihe hochklassiger Ausnahmesänger kann nicht kaschieren, dass Quasimodo auch anno 2022 so etwas wie einen „eigener Stil“ vermissen lassen und die Arrangements kaum einfallsreicher und spannender sind als seinerzeit 1991 im Eisenbahner in Schöneweide. Reinhören kann und sollte man ob der sangestechnischen Konstellationen und einer superben Produktion von Jörg Uken/Soundlodge dennoch.
Am Ende wird aber aus einem alten Trabant kein Auto von Welt, selbst wenn man damit noch so prominente Beifahrer durch die Gegend kutschiert.
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